Heimatverein Ziemetshausen

und Umgebung e.V.

Webereimuseum Gebr. Stegmann

Im Markt Ziemetshausen blühte schon im Mittelalter das Handwerk, speziell die Leinenweberei.

Der genügsame Lein, aus dem der Rohstoff Flachs gewonnen wird, wuchs auf den eigenen kargen Böden der kleinen Bauern Bayerisch-Schwabens. Neben den Berufswebereien wurde das Handwerk in kleinen Bauernhöfen als Zuerwerb betrieben. Vom Anbau des Rohstoffs bis zum Weben des Stoffes blieben die verschiedenen Arbeitsschritte in einer Hand. 

Kaiser Leopold I. (1658 - 1705 ) erteilte der Leinenweberei schließlich das Privileg einer "geschworenen Tuchschau". Das bedeutete, dass jedes gut befundene Stück Tuch, "Staudenkattun" genannt, über Augsburg und Kempten als begehrte und gut bezahlte Ware in alle Welt ging. Bis ins 19. Jahrhundert blieb Ziemetshausen ein bedeutendes Zentrum der Weberzunft.

Bereits 1614 gründeten elf ortsansässige Webmeister die Weberzunft in Ziemetshausen. Sie bestand bis 1862 und kümmerte sich um die Ausbildung der Lehrlinge bis zur Gesellen- und Meisterprüfung. Bei der Gemeindezählung 1826 bestand Ziemetshausen aus 116 Wohnhäusern mit 850 Einwohnern. 15 Weber, zwei Tuchmacher, ein Garnsieder und ein Färber waren ansässig. Zu dieser Zeit stellten die Weber die größte Berufsgruppe in Ziemetshausen. Es handelte sich ausnahmslos um Handweber. Sie arbeiteten nicht nur zu Hause, manche gingen auch zu den Bauern »auf die Stöhr«, um deren eigenen Flachs für den eigenen Bedarf zu weben.


Rathaus Ziemetshausen um 1890

Garnspulen an der Zwirnmaschine


Die einzelnen Arbeitsvorgänge vom Spinnen des Flachses zur Kett- und Schussware in sogenannte Stränge, die Umspulung der Stränge auf Spindeln und das Weben selbst waren sehr zeitaufwändige und somit kostenträchtige Tätigkeiten. Die Mechanisierung bot daher gerade in diesem Gewerbezweig enorme Vorteile. Vorreiter waren die großen Webereien in den englischen Industriestädten. Deren preisgünstige Erzeugnisse hätten die Textilprodukte aus Deutschland verdrängt, wären die Webereien der technischen Umstellung nicht gefolgt. Damit wurden jedoch die Handwebereien unrentabel und lösten sich nach und nach auf. 1926, hundert Jahre nach der ersten Ziemetshauser Gewerbestatistik, war nur noch Georg Stegmann als Weber ansässig: Der Siegeszug der industriellen Weberei hatte begonnen.

Die Familie Stegmann ist mit Adam Stegmann 1575 erstmals in Ziemetshausen erwähnt. Seither wurden Beruf und Gewerbe in der männlichen Nachkommenschaft vererbt. 1866 errichtete Josef Stegmann das heute noch bestehende Ökonomiegebäude, in dessen Wohnbereich er die Weberei im Haupterwerb betrieb. Sein Sohn Georg Stegmann kaufte 1925 seinen ersten mechanischen Webstuhl, ein gebrauchtes englisches Fabrikat, und betrieb es in der Wohnstube. 1928 errichtete er eine Weberwerkstatt.


Josef und Rosa Stegmann, ca. 1900

Die letzten Eigentümer Benno und Georg Stegmann übernahmen 1935 den Betrieb von ihrem Vater. Sie erweiterten baulich und maschinell die Weberei Zug um Zug auf den Stand, wie er heute noch zu sehen ist, und führten das Unternehmen mit mehreren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bis 1970. Danach betrieben sie bis zu ihrem Tod die Weberei nur noch im Nebenerwerb. Im Februar 1976 schaltete man die Webstühle ganz ab.

Den Verkauf der hergestellten Waren übernahmen die Frauen der Familie: zunächst im Wohnhaus unter einem Dach mit dem Betrieb und einer kleinen Landwirtschaft. Später führten die Schwestern Rosa und Kreszenz Stegmann im Haus Nr. 81 1/2, jetzt Bürgermeister-Haide-Straße 7, ein Ladengeschäft, in dem neben den Stoffen auch einfache Kleidung, Unterwäsche, Kurzwaren und Handarbeitsartikel verkauft wurden. Kreszenz Stegmann schloss im Dezember 1980 den Laden. Auf sie ging im Wege der Erbfolge die stillgelegte Weberei über.

Webereimuseum, Friedhofstraße


Kreszenz Stegmann übertrug 2002 die Weberei samt Grundstück dem Heimatverein. In mühevoller Kleinarbeit haben die ambitionierten Mitglieder das Gebäude als Museum für die Allgemeinheit zugänglich gemacht. Das Museum zeigt sich heute im angestammten Gebäude, fast wie der letzte Fabrikant Georg Stegmann den Betrieb verlassen hat: die halboffene Brille am Fensterbrett, die Ölkanne und das Riemenpech griffbereit, das Werkzeug an den einzelnen Webstühlen, die Garnrollen für das Grundmuster am Schärgatter, die Holzscheite am Kanonenofen.

Gezeigt werden der Weg vom Leinsamen bis zum gesponnenen Flachsfaden, der Schärgatter, das Anlegen des Kettbaums, das Umspulen der Garne für die Weberschiffchen, das Weben auf den mechanischen Webstühlen, die Herstellung eines Schärblattes ebenso wie Handwebstühle für Fleckerlteppiche, Stoffe und Stoffmusterbücher und Teile der Ladeneinrichtung.